Spaziergänge durch das jüdische HamburgSpaziergänge durch das jüdische Hamburg. Geschichte in Geschichten

 

Das Hamburger Grindelviertel, irgendwann in den zwanziger Jahren. Durch die Luft zieht der Geruch nach Ingwer und Salbei. Aus den Küchenfenstern duftet es nach gefillte Fisch oder nach Lokschen auf salzige Art mit Hammelfleisch.

In diesem Stadtteil begegnen die in Hamburg geborenen Juden ihren Glaubensbrüdern aus Osteuropa, Christen und Juden kaufen gemeinsam in den zahlreichen koscheren und nicht koscheren Läden. Es wird jiddisch gesprochen, polnisch oder hochdeutsch. Das Grindelviertel ist ein quicklebendiges Stück Hamburg.
Viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde waren nach dem Wegfall der Torsperre im Jahr 1860 von der Neustadt hierher in die gerade aufblühenden Stadtteile Rotherbaum und Harvestehude gezogen.

Von diesem quirligen Leben ist nach der Shoah, dem Holocaust, kaum etwas geblieben. 1931 lebten 20.000 Juden in Hamburg, weitere 5.000 waren in Altona beheimatet. 1939, nach Jahren der Demütigung und Verfolgung durch die Nazis, bestand die jüdische Gemeinde nur noch aus 8.400 Mitgliedern. Ab 1941 setzten die Deportationen ein. Mehr als 8000 Hamburger Juden wurden in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten, in Auschwitz, Treblinka oder Neuengamme ermordet.
Die Synagogen, Schulen und anderen Stätten jüdischen Lebens wurden zweckentfremdet, abgebrannt, niedergerissen oder ausgebombt. Geblieben sind nach dem Ende der Naziherrschaft nur wenige Gebäude und ein paar Mauern.
Aus dem Tempel wurde ein Rundfunkstudio, aus der Synagoge ein Autogarage, aus einer Schule ein Kindertagesheim.

Dieses Buch möchte die Leser in diese heute noch vorhandenen Gebäude begleiten, von ihrer Geschichte und Bedeutung für die jüdische Bevölkerung erzählen. Es wendet sich besonders an jene Leser, die noch nichts oder nur wenig vom einstigen jüdischen Leben am Grindel wissen.

Bei meiner Arbeit haben mir nicht nur die steinernen Zeitzeugen geholfen. Auch aus den Erinnerungen von ehemals in Hamburg beheimateten jüdischen Mitbürgern habe ich zahlreiche Anregungen erhalten. Ebenso durch den Landesrabbiner Dov-Levy Barsilay, den Kantor Arieh Gelber und die Vorsitzende der Deutsch-Israelitischen Gesellschaft Waltraut Rubien. Ihnen möchte ich an dieser Stelle ebenso herzlich danken wie denjenigen Forscherinnen und Forschern, die in jahrzehntelanger mühevoller Arbeit die Erinnerung an das einst auch in Hamburg blühende jüdische Leben wachgehalten haben.
Zahlreiche Informationen und Forschungsergebnisse sind in dieses Buch eingeflossen.
Stellvertretend möchte ich nennen: Manfred Asendorf, Maike Bruhns, Ursula Büttner, Peter Freimark, Erika Hirsch, Ursel Hochmuth, Gertrud Meyer, Helga Krohn, Reiner Lehberger, Astrid Louven, Mary Lindemann, Ina Lorenz, Günter Marwedel, Christiane Pritzlaff, Ursula Randt, Irmgard Stein, Charlotte Ueckert-Hilbig, Harald Vieth, Ursula Wamser und Wilfried Weinke.
Nicht denkbar wäre dieser Rundgang ohne die Lebenserinnerungen von Arie Goral,
Miriam Gillis-Carlebach, Heinz Liepmann und Justin Steinfeld.

Ich würde mich freuen, wenn dieser Spaziergang durch die jüdischen Baudenkmäler auch ein Anstoß sein könnte, etwas offener auf jene Menschen zuzugehen, die heute auf ihrer Flucht ein Asyl in Hamburg erhalten haben. Dies ist besonders wichtig in einer Zeit, in der sich wieder der Antisemitismus und Fremdenhass in einigen deutschen Hirnen festzukrallen droht.
Auch die Menschen, die heute in dieser Stadt Zuflucht suchen, stellen eine Bereicherung unseres Lebens und unserer Kultur dar. Auch ihr Leben in dieser Stadt können wir als ein Geschenk begreifen. Es kommt zunächst einmal darauf an, nicht ab- und auszugrenzen, sondern: Zu Verstehen.

 

Verlag, Europäische Verlagsanstalt, eva,1998,197 Seiten,19,90 Euro

ISBN 978-3434504054

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